Aus dem Achimer Kreisblatt vom 19. August 2011

Sensationsfund an der Gaspipeline

Von Bernd Hägermann

BIERDEN. Dass sich in Bierdener Erde über viele Jahrtausende das Werk eines eiszeitlichen Künstlers verborgen gehalten hat, war sogar für Klaus Gerken nicht zu erwarten.
Gerken ist Grabungsleiter des größten archäologischen Projektes Norddeutschlands, das im Vorfeld der eigentlichen Baumaßnahmen zur Nordeuropäischen Erdgasleitung (NEL) - die Pipeline soll Europa mit den großen Erdgasreserven in Russland verbinden - die einzigartige Möglichkeit bietet, dem Bild einer jahrtausendealten Kulturlandschaft wie der niedersächsischen neue Elemente hinzuzufügen.
Klaus Gerken ist Spezialist für Fundstücke aus der Eiszeit: "Seit mittlerweile 35 Jahren", sagt er und nimmt den kleinen Sandstein in seine Hand, um die minimalistische Gravur der "Venus von Bierden" ins beste Licht zu rücken. Auf einer kleinen flachen Sandsteinplatte zeigen sich die stilisierten Umrisse einer Frau: kopflos zwar, aber in Frontal- und Seitenansicht deutlich zu erkennen. Bernd Rasink, der wissenschaftliche Koordinator dieses archäologischen Projektes, beziffert die Wahrscheinlichkeit, ein Stück dieser Qualität nicht zu entdecken, auf 99,9 Prozent. Andreas Niemuth vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege und ein Hüter dieses eiszeitlichen Schatzes, räumt freimütig ein: "Mir wäre der Stein nicht aufgefallen."
Tatsächlich wirkt dieser sogenannte Retuscheur, der für die Modifizierung von Steinwerkzeugen genutzt wurde, auf den ersten Blick unscheinbar. Die schlichte und doch ästhetische Gravur allerdings hebt ihn in den Rang eines Kunstwerkes. Kreisarchäologin Dr. Jutta Precht vergleicht es in diesem Zusammenhang mit noch früheren Höhlenmalereien, und Bernd Rasink sagt: "Die 'Venus von Bierden' ist im norddeutschen Tiefland der erste Beleg einer eiszeitlichen Menschendarstellung." Noch allerdings ist das exakte Alter des Steins nicht bestimmt. "Es ist nicht klar, ob der Stein dem Magdalénien, rund 10 000 bis 14 000 Jahre vor heute, zuzuschreiben ist oder der nachfolgenden Federmesser-Gruppe."
Die Ausgrabungen an der Pipeline, durch die Ende 2012 Erdgas fließen soll, werden noch viele Monate andauern. Bernd Rasink glaubt auch für die Zukunft an "archäologische Überraschungen". Nach Abschluss der wissenschaftlichen Auswertung werden die Fundstücke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bereits im nächsten Jahr sollen in Orten entlang der Erdgaspipeline erste Exponate gezeigt werden. Die "Venus von Bierden" wird also schon bald in den Landkreis Verden zurückkehren.

Erläuterung des Fundes

Grabungsleiter Klaus Gerken (v.l.) erläutert Bernd Rasink (Wissenschaftlicher Leiter des Projektteams), Andreas Niemuth (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege) und Kreisarchäologin Dr. Jutta Precht den Fund. Foto: Hägermann

Die 'Venus von Bierden'

Klaus Gerken mit der "Venus von Bierden". Foto: Hägermann

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